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Quiltgallery |
Dr. Brigitte Tietzel: Es ist viel (alles?) über die Amish und ihre besondere Form der textilen Gestaltung, eben die Quilts, geschrieben worden. Sie, liebe Frau Willi, hatten Bedenken, sich in einem Textbeitrag zum Katalog zu wiederholen. Dennoch sei die Frage erlaubt, was für Sie der persönliche Grund Ihrer Hinwendung zu den Amish Quilts gewesen ist. Monika Willi: Ja, es ist so manches darüber geschrieben worden. Als Nichtangehörige dieser religiösen Gemeinschaft ist es nur schwer möglich, ein authentisches Bild über die Amischen und ihre Quilts abzugeben. Und die Herstellerinnen selbst haben sich in der Vergangenheit wenig darüber geäussert.
MW: Meine Vorliebe gilt eher den klassischen Quilts aus Lancaster County, Pennsylvania, mit ihren strengen, grossflächigen Kompositionen wie z.B. Bars oder Diamond in the Square, aber auch Sunshine and Shadow oder Nine-Patch mit ihrem Variationsreichtum gefallen mit sehr gut. Sobald die Muster zu stark von der "Aussenwelt" beeinflusst werden, oder die Farben sehr schreiend aufeinander wirken (wegen der synthetischen Stoffe), verlieren sie für mein Empfinden ihren ureigenen Charakter…
MW: Als ich zu sammeln begann, erfuhr ich leider nichts von den Geschichten die dahinter stecken: erst in den 80er Jahren kümmerten sich Quiltkenner und Händler in den USA vermehrt um diese Frage, wenn sie in Familienbeständen etwas aufstöbern konnten. Natürlich wäre es für mich spannend, etwas zu wissen über die Frau, die z.B. den aussergewöhnlichen Babyblocks genäht hat, mit seinen vielen Facetten: die optische Illusion durch das Würfelmotiv, die Treppenperspektive, die beiden hellen Diagonalen und sehr intensive Farben. Woher hatte sie die kleinen Teile aus rotem, bemustertem Stoff – bedruckte Stoffe dürfen die Amischen grundsätzlich gar nicht tragen!
MW: Ja! Ich sah
bereits 1972 im Musée des arts décoratifs in Lausanne die Sammlung von
Jonathan Holstein und Gail van der Hoof; darunter gab es auch wenige
amische Quilts. Ein Stück hat mich damals so tief beeindruckt, dass ich
Gänsehaut bekam…es war ein Bars, also ein Streifenmuster mit rostroten und
kiwigrünen Streifen und magentafarbener Rahmung. Diese extrem schlichte
Komposition beeindruckte mich einerseits durch ihre Monumentalität und
dazu wirkte die Farbwahl auf mich geradezu mystisch. BT: Diese Annäherung an die Amish Quilts ist ja sehr populär. Im vergangenen Jahr fand in der Münchener Pinakothek der Moderne eine Quilt-Ausstellung statt, die nicht von uns in Krefeld übernommen werden konnte, weil die Sammlerin meines Erachtens die Auffassung vertritt, dass der textile Aspekt den Wert der Kunstwerke vermindere. Maria Schlumberger und Friedrich E. Rentschler sehen die Quilts als reinen Kunstausdruck. Macht das Sinn? Sehen Sie das auch so? MW: Nach all dem, was seit 1971 in den USA darüber geschrieben und durch Ausstellungen propagiert wurde, kann man dieser Auffassung sein. Ich hingegen als Sammlerin frage mich, ob Sie mit dem Wort "Wertverminderung" den künstlerischen Wert oder den Handelswert meinen, oder beides. Für mich gibt es eine ganze Reihe von Aspekten die mich an diesen Werken interessieren: künstlerische, volkskundliche, praktische und mystische. Die Quilts gehören traditionell zur angewandten Kunst. So absolut wie die beiden von Ihnen erwähnten Sammler urteilen, sehe ich es keinesfalls. Aber es gehört zum Trend, die Werke seit 30 Jahren so zu betrachten.
MW: Ja, das
stimmt…allerdings war der Quilt der einzige Gegenstand mit dem die
Amischen innerhalb des Erlaubten etwas Dekoratives in ihre Häuser
integrieren konnten. Und so kunstvoll und diszipliniert wie diese Frauen
diese Decken realisiert haben, kann man ahnen, dass ihnen diese Tätigkeit
doch sehr viel bedeutet hat. BT: Kann man trotzdem diese Textilien aus ihrem Zusammenhang reissen und uminterpretieren? Sozusagen losgelöst von ihrem Entstehungszusammenhang als eigenständige Ausdrucksform betrachten? MW: Für mich geht
dadurch etwas verloren, das von grosser Bedeutung ist und unsere
Faszination ausmacht, nämlich, dass diese Quilts in einem besonderen
Kontext – religiös und gemeinschaftlich – entstanden sind. Deshalb
empfinden wir ja auch etwas Besonderes angesichts dieser Werke… BT: Man hat die Modernität, die Abstraktion, die rigorose Geometrie, die Vereinfachung der Formen, die kühnen Farbkompositionen der Amish Quilts gelobt und behauptet, sie gingen hierin der modernen Kunst voran. Kann man das wirklich so sehen? Wären die Quilts also rein formal zu betrachten? MW: Durch die strengen Regeln ihrer "Ordnung" unterscheiden sich die Quilts der Amischen von denen anderer Pioniersfrauen im Amerika des 19. Jahrhunderts. Hier sehe ich eher eine Parallele zur religiösen islamischen Kunst mit ihrer ebenfalls nichtfigürlichen Darstellungsweise denn zur Moderne. Diese Quilts sind in erster Linie das Resultat einer religiös geprägten Gesellschaft, die sehr verbunden ist mit ihren Traditionen. Schlichtheit wird vorgeschrieben und Begrenzung in der Auswahl von Mustern und Farben ist angesagt – allerdings ändern sich die Regeln von Gemeinde zu Gemeinde.
Das Interview mit der Sammlerin Monika Willi, Zürich, führte die Direktorin des Deutschen Textilmuseums, Brigitte Tietzel. |
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